Roxana ist überglücklich: Endlich sind ihre Kinder aus dem gröbsten heraus und sie kann an drei Abenden in der Woche arbeiten. Einen Job zu finden, war nicht schwer: Reinigungskräfte sind begehrt; zuverlässige Reinigungskräfte heiss begehrt. Jetzt putzt sie dreimal in der Woche bei einer grossen Privatbank mitten in der Stadt. Ehrfürchtig schiebt Roxana ihren Wagen mit den Putzutensilien über den teuren Marmorboden. Wenn sie dereinst mit ihrem Mann und ihren Kindern in die Heimat zurückfährt, hat sie einen Haufen Geld gespart. Und mit diesem Geld wird sie zu Hause fürstlich Leben. Vielleicht sogar mit Badezimmerwänden aus Marmor.
Roxana kennt die einzelnen Stockwerke, Abteilungen und Arbeitsplätze. Sie weiss, welche Räume sie betreten darf und welche nicht. Und ihr Chef weiss, dass er sich jederzeit auf sie verlassen kann. Aus diesem Grund hat sie ihr Vorgesetzter auch mit einem Spezialauftrag beauftragt: Sie soll heute einen Raum sauber machen, den sie noch nie zuvor betreten hat. Roxana zieht ihre Karte aus dem Sack und hält sie gegen das Zutrittskontrollsystem: Die Türe öffnet sich wie von Zauberhand! Roxana weiss: Hätte sie die Karte 5 Minuten früher oder 5 Minuten später gegen das Lesegerät gehalten – die Türe wäre nicht aufgegangen!
Roxana sieht sich um: Der Raum ist alles andere als etwas Besonderes! Überall stehen Geräte herum, die leise vor sich hin summen. Am Boden liegt eine dicke Schicht Staub. Auch auf den Geräten hat sich ganz schön Staub angesammelt. Hier hat in der Tat seit langer Zeit niemand mehr sauber gemacht! Roxana lächelt: «Denen würde sie zeigen, was sie unter einem sauberen Raum verstand!» Routiniert wischt sie ein Gerät nach dem anderen ab. Dann zieht sie das Kabel aus dem Staubsauger und macht sich auf die Suche nach einer Steckdose. Nach 5 Minuten Suche wird es ihr zu blöd. Schliesslich hat sie an diesem Abend noch andere Räume zu reinigen! Roxana zieht einen Stecker aus einer Dose und steckt ihren Staubsauger ein. Eine Stunde später zieht der Raum piccobello aus. Und Roxana ist sich sicher, dass sie am anderen Tag ein dickes Lob von ihrem Vorgesetzten bekommen wird.
Ihr Chef meldet sich bereits um 9.00 Uhr. Ein bisschen früh für Roxana, die erst ein paar Stunden geschlafen hat. Und offensichtlich will er sich auch nicht bedanken. Mit donnernder Stimme fordert er sie auf, sofort in die Bank zu kommen. Schlaftrunken steigt Roxana aus dem Bett. So hatte sie ihren Chef noch nie erlebt! Was wohl geschehen war? Vermutlich wurde Geld gestohlen. Und wen verdächtigte man da zuerst? Natürlich sie, die Putzfrau! Doch Roxana weiss, dass sie nichts getan hat. Und macht sich guten Mutes auf den Weg.
Wenig später betritt sie die Schalterhalle und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus: Überall stehen Menschen herum, keiner schien zu arbeiten. Ihr Chef ist auch da und packt sie gleich am Arm. Hastig führt er sie in den Raum, den sie wenige Stunden zuvor gereinigt hat. Roxana zittert: Hatte sie am Ende doch noch vergessen, eine Ecke sauber zu machen? Es dauert eine ganze Weile, bis Roxana einigermassen versteht, um was es geht: Sie hatte den Stecker eines «Servers» herausgezogen (was auch immer das sein mochte). Und dieser Server schien für die Bank äusserst wichtig zu sein. Auf jeden Fall konnten die 350 Mitarbeitenden an diesem Morgen während fast 3 Stunden nicht arbeiten, bis der Fehler gefunden und die IT wieder hochgefahren war.
Roxana bekommt Angst und beginnt zu weinen. Da nimmt sie ein freundlicher Mann in den Arm. «Ich bin Marc Ott von os systems. Ich habe den Fehler gefunden.» Und statt mit ihr, beginnt er nun mit den Anwesenden zu schimpfen. Grobfahrlässig sei das, meint er. Da würden Millionen für Sicherheit und Zutrittskontrollsysteme ausgegeben. Und am Ende würde der Stecker eines Staubsaugers eine gesamte Privatbank mit 350 Mitarbeitenden lahmlegen! Was sollte sie dazu noch sagen?